Die Sicherheit einer geschlossenen Fahrgastzelle

Originalton-Hörspiel zum 9. November '89. MDR, 2009 Regie: Stefan Kanis Hörspiel des Monats November 2009, Szlabbesz, Berging, 2010, Hörspielpreis der Kriegsblinden 2010, Deutscher Hörspielpreis 2010, ARD Online Award 2010

Bei den Aufnahmen zu Die Sicherheit einer geschlossenen Fahrgastzelle Während der Aufnahmen an der ehemaligen Grenze bei Helmstedt/Marien­born (v.l.n.r.): Annemarie und Juliane Reffert, Claus Jacobsen (der Fahrer des gemie­teten Wartburgs) und Stefan Kanis, Regisseur. Foto: Thilo Reffert

Die Entschließung der Jury des 59. Hörspielpreises der Kriegsblinden:

Thilo Reffert ist es gelungen, mit scheinbar leichter Hand, mit Witz und einem hin­reißend ver­spielten O-Ton-Einsatz, ein zentrales Thema der deutschen Geschichte neu zu erzählen: Die Ereig­nisse am 9. November 1989.

Die Jury war davon angetan, dass nach einem Jahr medialer Dauer-Anwesen­heit dieses Themas in Refferts Hörspiel ein neuer über­raschen­der Zugang gelang.

Thilo Reffert erzählt die Geschichte seiner Mutter und Schwester, die am Abend des 9. November in einem Wartburg um 21:15 über die Grenze der DDR in den Westen fuhren, und zwar am Übergang Marien­born, wo »der eiserne Vorhang im Dunkel über Kar­tof­feln und Zucker­rüben hing«. Um diese Uhrzeit war in Berlin die Mauer noch zu und der Bundestag in Bonn debat­tierte über Sport­för­derung. Das Stück ist ein kleines Denkmal für zwei Frauen, die gezeigt haben, dass Geschichte sich nicht ereignet, sondern dass man sie gestalten kann.

Reffert erzählt diese Geschichte, indem er 20 Jahre später mit Mutter und Schwester dieselbe Strecke noch einmal fährt. So schafft er im Stück mehrere Ebenen. Zum Geschehen von damals kommt der Versuch der heutigen Wieder­holung, der die Erfahrung von 20 Jahren, die Ver­än­de­rungen und die Reflexion darüber ein­schließt. Eine weitere Ebene entsteht, indem Reffert die öffent­lichen O-Töne aus TV, Radio und der Bundes­tags­sitzung mit gekonnter Schnitt-Technik in einen Dialog mit den privaten Berichten bringt und so die »Schnitt­stelle von Küchen­schrank und Welt­geschichte« trifft.

Matthias Matschke spricht Refferts Text mit trockenem Humor und ohne Pathos. So gibt das Stück einen Maßstab für eine andere Gedenk-Kultur.

Hörprobe des Hörspiels Die Sicherheit einer geschlossenen Fahrgastzelle